WIE SIND SIE DENN, DIE CHILENEN???

"Wie sind sie denn, die Chilenen?" Ich verwette verbliebene 30.000 pesos und mein gerade erworbenes Fussballtrikot von Universidad de Chile darauf, dass uns diese Frage bei unserer Heimkehr erwartet. Ich bin eigentlich kein Freund der Generalisierung. Trotzdem werde ich unter anderem von zwei Aussagen berichten (und am Ende jeder Ausfuehrung darauf hinweisen, dass es sicherlich Ausnahmen gibt und ich das nicht unbedingt wertend meine).

"Ein Chilene arbeitet ganz anders als ein Deutscher." Empfunden seit der Ankunft vor nunmehr elf Tagen. Bestaetigt aus dem Munde von Birgit Tuerksch, Chefredakteurin der deutsch-chilenischen Wochenzeitung Condor, deren kleine Redaktion zwar (fast) ausschliesslich aus Deutschen besteht, die beim Layout, Anzeigenverkauf und Vertrieb aber mit Chilenen zusammenarbeitet. Manche sprechen von "Faulheit". Ich stimme eher Condor-Redakteur Florian Strunck zu, der den chilenischen Arbeitsstil als "ineffizienter" bezeichnet. Die Chilenen arbeiten in Zahlen sogar laenger. Davon koennen die Redakteure des Condor, die nach chilenischen Verhaeltnissen 50 Stunden pro Woche arbeiten und denen im Jahr lediglich drei Wochen Urlaub zustehen, ein Lied singen. Dafuer aber halten es die meisten Chilenen etwa mit der Laenge und Haeufigkeit von Pausen nicht ganz so genau. Wir haben davon auch schon einige Male profitiert: Beim Besuch von CNN Chile nahm sich der Co-Editor, der dank eines laengeren Aufenthalts in Bochum ein gutes Deutsch sprach, fast eine halbe Stunde Zeit, uns jedes Feld seines Bildschirms, jede Taste seiner Tastatur zu erklaeren - waehrend seiner Arbeitszeit, wohlbemerkt. Als Felix zu Beginn unseres Besuches einen Bankangestellten nach dem schnellsten Weg zu einer Wechselstube fragte, fuehrte der ihn zehn Minuten lang bis vor die Eingangstuer, anstatt ihm den Weg einfach nur zu erklaeren.

"Die Chilenen sind eher leise und schreien ihre Meinung ungern auf die Strasse heraus." Gesagt von Bernardo Zentilli, Praesident der aeltesten chilenischen Umweltorganisation CODEFF. Bisher aber nicht wirklich so von mir empfunden. Gerade am heutigen 11. September 2009, dem 36. Jahrestag des Pinochet-Putsches, widerlegen die Chilenen diese Aussage. Aus dem Zentrum von Santiago zeigt CNN Bilder von gemaessigten Demonstrationen. Im einige Kilometer entfernten Armenviertel La Legua aber brennt es an diesem Tag regelmaessig. Bei unserem Besuch beschrieb Gustavo es als eine Art Ritual: Polizei und Protestanten im Spiel von Hase und Igel. Vor wenigen Wochen wollte auch Bernardo Zentilli die Massen mobilisieren. Unter dem Motto "Por un Chile sin mas represas" rief CODEFF zu Protesten gegen den geplanten Bau von (aus Umweltgesichtspunkten laengst umstrittenen) Wasserkraftwerken auf. Es kamen:  2000 Menschen - davon in der Hauptstadt Santiago, die in ihrem Ballungsgebiet 6.000.000 Einwohner zaehlt, schlappe 400. Als leise wuerde ich die Chilenen nicht bezeichnen. Mein Eindruck ist ein anderer: "Die Chilenen" setzen sich durchaus fuer Dinge ein, die sie interessieren, die ihnen wichtig sind. Der Umweltschutz zaehlt einfach (noch) nicht dazu.