KRITZELEIEN AUF DEM WAHLZETTEL

Ein kohlegeschwärztes Gesicht, auf dem Kopf ein Bergbau-Helm, darüber die Headline "La misión imposible de Frank". Eine ganze Seite hat die chilenische Tageszeitung "El Mercurio" am Samstag dem SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier gewidmet - und dem Leser darauf erklärt, warum "Frank" bei der Wahl am 27. September niemals deutscher Bundeskanzler wird. Das spanische Wort für "Charisma" fällt im Artikel übrigens immerhin viermal.

Es ist eine der gar nicht mal so wenigen Gemeinsamkeiten zwischen Chile und Deutschland. Auch die Chilenen wählen in diesem Jahr (11. Dezember) ihr neues Staatsoberhaupt. Auch der chilenischen Mitte-Links-Koalition fehlt es an einem charismatischen Kandidaten mit einer größeren Idee. Die amtierende Präsidentin Michelle Bachelet, die als erste Präsidentin in der Geschichte Chiles aus diesem Lager stammt, hat nach einem Zwischentief inzwischen zwar grandiose Beliebtheitswerte (73 Prozent). Die strahlen jedoch nicht auf ihre Partei ab. Eduardo Frei liegt mit 28 Prozent nach jüngsten Umfragen deutlich hinter dem rechten Kandidaten Sebastian Pinera (37 Prozent) zurück. Eine Hoffnung der amtierenden Regierungskoalition liegt noch in den 18 Prozent ihres früheren Mitgliedes Marco Enríquez-Ominami. Sollte es in der Stichwahl zum Duell zwischen Pinera und Frei kommen...

Für Mihal stellt sich diese Frage nicht. Er ist ein Freund von Carlos, der uns neulich durch die Stadt geführt hat, und gibt nicht viel auf die Politik. Pinera? "Hat in seiner Karriere schon viele Fehler gemacht!" Frei? "Ist zu starr, nicht flexibel genug!" Ominami? "Zu jung! Viel zu unerfahren!" Wählen will Mihal eigentlich keinen. Wählen MUSS er aber. Während es in Deutschland das WahlRECHT gibt (Alle sind ins Wahlregister eingetragen - wer möchte, kann wählen), hat Chile eine WahlPFLICHT (Man kann sich ins Wahlregister eintragen lassen, muss dann aber auch wählen gehen). Eine chilenische Satire-Zeitschrift hat neulich unter der Überschrift "1000 Möglichkeiten zu wählen" Vorschläge für Kritzeleien auf dem Wahlzettel veröffentlicht, durch die man eine satte Geldstrafe umgehen kann, ohne sich für einen der ungeliebten Kandidaten entscheiden zu müssen. Während sich für viele Deutsche und Chilenen lediglich die Frage nach einigen wenigen Parteien und Personen stellt, sind Mihal bei der Wahl also kaum Grenzen gesetzt.